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Familie Hocher
Bildunterschrift: Hier sehen Sie nur mich, Rainer J. Hocher, ohne Frau und Kind (ca. 1988)
* Rainer J. Hocher erlag seinem Krebsleiden am 9. Mai 2012 *  
    
Unser "legaler Weg" in die Freiheit
Eigentlich waren wir damals eine glückliche Familie, meine Frau Karin und unsere beiden Töchter Susanne, Cornelia und ich, Rainer J. Hocher.
Geld reichte für uns, meine Frau Karin war eine anerkannt gute Ärztin, ich als gelernter Dreher arbeitete in verschiedenen Berufen auf Baustellen. Zuletzt als Schweißer.
Wir besaßen die Hälfte eines schönen Doppelhauses in Bad Langensalza. Im Einklang mit Berufsleben, Natur und Umwelt entdeckte ich mein Talent als "Schreiberling" und konnte schon in der DDR Erfolge verbuchen.
 
Allerdings waren die Möglichkeiten für Schriftsteller, für freies Denken (Andersdenken), Reisen staatlich reglementiert. Und man wurde ständig kontrolliert, beaufsichtigt.
Unzufriedenheit, jahrelang hinuntergeschluckt, machte sich immer mehr in unserer Seele breit. Gab es einen Auslöser, die Ausreise zu beantragen?
-Ja, den gab es.-
Am 17.05.1988 stellte  ich beim zuständigen "Volkspolizeikreisamt" (VPKA) einen Antrag für eine Besuchsreise zu Verwandten nach Westdeutschland.
Grund war die erfreuliche Geburt meines Neffen in der BRD, die ich mit Urkunde belegen konnte.
Auch wenn wir bis dahin als unbescholtene Bürger der DDR galten, fleißig mit unserer Tätigkeit zum "Wohl des Sozialismus" beitrugen, wurde dieser Reiseantrag ohne Gründe abgelehnt.
Beschwerden, Eingaben (heute sagt man Widersprüche) an die Volkspolizei, an Honecker und andere Größen der DDR-Politführung nutzten nichts. Abgelehnt!
 
Von da an wußten wir, dieser Staat wird immer seine Bürger einsperren, bevormunden und den Kindern einen "sozialistischen Weg" vorschreiben. Auch mir mit meinem schriftstellerischen Talent als Arbeiter im "1. deutschen Arbeiter- und Bauernstaat" waren Hände und Gedanken gefesselt.
Ich begann, unseren Weg in einem Tagebuch aufzuzeichnen und habe natürlich immer Angst gehabt, die Stasi könnte die gut versteckten Seiten entdecken.
Die ausführlichen, persönlichen Gründe zum Verlassen der DDR, die notwendigen Antragstellungen, die Daten, Termine, Schikanen und Demütigungen, alles können Sie nachlesen in meinem Buch
             -Der legale Weg - Tagebuch-Roman unserer Ausreise !
               (erschienen 2006 im Engelsdorfer Verlag)
 
Unsere Antragstellung "auf ständige Ausreise aus der DDR" formulierte die ganze Familie ausführlich, überlegt und sachlich. Jeder von uns unterschrieb und mit Datum vom 24. Juli 1988 ging der Brief per Post an den Rat des Kreises -Abteilung Inneres- in Bad Langensalza.
Was dann folgte, waren die von den "Staatsorganen" ausgeführten Ablehnungen, Rückdrängungsversuche, Diskriminierung meiner Frau im Beruf, Beschimpfungen unserer Kinder in der Schule, ständige Vorsprachen bei der Abtlg. Inneres usw.
Diese Phasen nach Stellung des Antrages sind durchaus heute bekannt.
Besonders eifrig bei Bespitzelung und Diskriminierung waren die Genossen der "Abteilung Inneres", die Herren Pl. und K.
Sie leben heute bestimmt noch unbehelligt im "neuen Bundesland", man hat ja nur seine Pflicht erfüllt...
Alle Ablehnungen und Schikanen inspirierten uns nur, noch hartnäckiger, unbeugsamer zu werden. Wir weiteten unsere Aktionen aus:
- Beschwerdebriefe an DDR-Eliten (wie gesagt, auch an Honecker)
- Gründung einer "Ausreisergruppe" in Bad Langensalza
- aktive Hilfe im Schriftverkehr für andere Antragsteller
- Leseabende aus Teilen meines Tagebuches DER LEGALE WEG (Rohfassung)
- Störaktion bei einem "Solibasar" in Bad Langensalza
- Aufwiegelung in der Kirche zur sich neu bildenden Gruppe "Neues Forum"
- einige meiner Gedichte trug ich öffentlich auf Veranstaltungen vor - das war unerwünscht...
- unsere Bekannten im "Westen" wandten sich mit Hilferufen an Dr. Johannes Rau und Hans-Jochen Vogel
 
Am 30. Oktober 1989 werden wir in die Abteilung Inneres zitiert, der Genosse Pl. verkündet, dass die Ausreise genehmigt sei.
Wir erhalten neue Ausreiseformulare und müssen diese mit nochmaligen ausführlichen Begründungen und handgeschriebenen Lebensläufen und weiteren "Erklärungen" (Grundstück usw.) umgehend einreichen.
Ein ausgehändigter "Laufzettel" hätte Zeit, er sei auch noch abzugeben, nachdem man unglaubliche bürokratische Laufereien absolviert hat.
- Jetzt heißt es aufräumen und aussortieren im Haushalt, vom Keller bis zum Boden!
- Kisten packen, Möbel zerlegen, Bücherlisten schreiben, Sachverständigengutachten einholen, eine unglaubliche Gewaltanstregung in wenigen Tagen.
Der gesamte Hausrat wurde durch die deutsche Spedition "Bartsch & Weikert" transportiert.
Es ist geschafft, am 11. Dezember 1989 werden wir aus der "DDR-Staatsbürgerschaft" entlassen, müssen DDR-Ausweise abgeben und erhalten eine Identitätsbescheinigung, natürlich alles gebührenpflichtig.
     - Jetzt sind wir staatenlos -
Die Ausreise ist für den 12. Dezember 1989 angeordnet.
Unwiderruflich, danke.
Unseren ersten Wohnsitz nehmen wir in Deutschland in Besitz:
im Hotel "Zur Sonne" im schwäbischen Rudersberg - Schlechtbach.
   - Wahrhaftig, in der Sonne angekommen ! -
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Gestatten Sie mir, jetzt eins meiner Gedichte zur "deutschen Einheit" hier anzufügen, das ich nach der überraschenden "Wende" veröffentlichte:
 
FRAGEN UND ANTWORTEN NACH DER WENDE
 
Fragen der Hiergebliebenen:
 
"Warum bist Du gegangen ?"
SIE  HABEN  MEINE  SEELE  ZERSTÖRT !
 
"Warum konntest Du Dich nicht anpassen ?"
WEIL  MIR  AUFPASSER  ZUWIDER  SIND !
 
"Hast Du beim Gehen an uns gedacht ?"
MIR  WURDE  DAS  DENKEN  VERBOTEN !
 
"Und wenn wir alle gegangen wären ?"
WÄRE  ICH  HEUTE  NICHT  HIER.
 
"Machst Du es Dir nicht zu einfach ?"
ICH  VERSUCHE,  REAL  ZU  SEIN.
 
"Wirst Du zurück kommen ?"
VIELLEICHT,  >NIE<  WÄRE  GELOGEN.
 
"Was soll sich nun ändern ?"
ALTE  LÜGEN  VERGESSEN UND  DIE,
DIE  UNS  ALLE  BETROGEN,
                                   BEGRABEN...
 
by Rainer J. Hocher
aus  MOORWEGE;  Scheffler-Verlag-1994
ISBN  3-9298885,48-4